Ein Blick hinter die Kulissen
Alexander Kaiss (AK) und Claudius Moor (CM) gewähren einen Einblick, wie sie über die Nachhaltigkeit denken, vor welchen Herausforderungen sie diesbezüglich stehen und wie sie damit umgehen.
Wie nachhaltig war Ihr Tag bisher?
AK: Im Grossen und Ganzen war der Tag bereits recht nachhaltig. Ich war bereits joggen – statt einem umweltschädlichen Hobby, wie beispielsweise Motorradfahren, nachzugehen. Darüber hinaus habe ich auf einen Ausdruck der 140 Seiten Konzernleitungsunterlagen verzichtet. Ich muss jedoch gestehen, dass ich nun mit dem Auto zu unserem grössten Schweizer Kunden für Wärmepumpen fahren werde, was natürlich weniger nachhaltig ist. Da Wärmepumpen einen grossen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, habe ich jedoch ein etwas weniger schlechtes Gewissen. Und immerhin bin ich sowieso bereits in der Schweiz unterwegs und reise nicht extra für diesen Termin an.
CM: Wenn man die Mitarbeiterzufriedenheit auch zur Nachhaltigkeit zählt, dann startete mein Tag sehr positiv. Ich war bereits eine Stunde joggen, habe mich dabei über die Ruhe der Natur erfreut und mich gedanklich auf den Arbeitstag vorbereitet. Ich finde, dass nachhaltige Unternehmensführung nicht nur den verantwortungsvollen Blick auf die Gesellschaft und die Umwelt, das heisst nach aussen, braucht, sondern auch den Blick nach innen, auf die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht meiner Meinung nach nicht nur darum, Ressourcen zu schonen, es geht auch darum, Menschen nicht zu «verbrauchen».
Anschliessend hatte ich einen guten Austausch zum Thema «nachhaltige Türen mit viel geringerem CO2-Abdruck». Wir testen verschiedene nachhaltige Materialien, welche das Klima stark entlasten würden. Als europäischer Marktführer im Bereich Türen fühlen wir uns in der Pflicht, unsere Produkte stetig auf Verbesserungspotenzial zu überprüfen, vor allem auch in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit.
Was denken Sie, in welche Richtung wird sich die Baubranche in Bezug auf die Nachhaltigkeit entwickeln?
AK: Die gesetzliche Regulierung wird eine grosse Rolle spielen. Die europaweite Richtung ist die Senkung der Treibhausgasemissionen. Das zeigt sich unter anderem bei der Festlegung neuer Baustandards, die dazu führen, dass Gebäude künftig deutlich besser isoliert werden, was wiederum den Wärmebedarf reduziert. Die Folge ist, dass kein Frischluftaustausch durch undichte Stellen stattfindet, weshalb die Lüftung eine Wärmerückgewinnung braucht. Und da sind wir ja voll mit dabei. Die Energie, die in einem gut isolierten Haus noch benötigt wird, die wollen wir mit unseren Produkten so nachhaltig wie möglich erzeugen – nämlich mit einer Wärmepumpe, die idealerweise nur mit grünem Strom betrieben wird.
CM: Zu meinem Bedauern haben sich zertifizierte nachhaltige Holzwerkstoffe nicht wie erhofft in Objektausschreibungen durchgesetzt. Nichtsdestotrotz setzen wir in unseren Türen nachhaltige, zertifizierte Materialien ein. Wir stellen einen stärkeren Fokus fest, vor allem auf eine CO2-neutrale Produktion und auf Scope 3, sprich die Emissionen, die aus vor- und nachgelagerten Aktivitäten resultieren. Die Zulieferkette muss dahingehend überprüft werden, denn Kunden wollen nachhaltige Produkte und fordern dies auch von uns. Die Arbonia wird allein bei der Division Türen EUR 50 Mio. in die nachhaltige Energieversorgung investieren, unter anderem in KWK-Anlagen bei Prüm und Garant sowie in die Zargenfertigung bei Prüm. Dies ist zwingend notwendig. Ich denke, dass es dadurch eine natürliche Wettbewerbsbereinigung geben wird, denn Unternehmen, die heute nicht in ihre Nachhaltigkeit investieren, werden sich in der Zukunft schwertun.
Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Nachhaltigkeit Ihrer Division bzw. Ihrer Produkte?
AK: Diese Entwicklung beeinflusst die Nachhaltigkeit unserer Division äusserst positiv. Wir haben immer gesagt, dass es zwei grosse Megatrends gibt, die unser Geschäft befeuern: zum einen das Thema CO2-Neutralität bzw. CO2-Reduktion und zum anderen gesundes Raumklima. Mit unseren Wärmepumpen, Wohnraumlüftungen, Wärme- und Energiespeichern sowie Fussbodenheizungen und effizienten Heizkörpern sind wir optimal aufgestellt. Wir haben diese Trends früh erkannt, entsprechend die Weichen gestellt und profitieren nun davon.
CM: Bei unseren deutschen Türengesellschaften Prüm und Garant haben die Investitionen in neue Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) grosse Bedeutung. In diesen Anlagen werden künftig die Produktionsreststoffe der Standorte (in diesem Fall Holzstaub, gehacktes Holz und sogenannte Flakes) energetisch verwertet. Die dabei freigesetzte Energie wird zum Heizen und, unter Zuhilfenahme einer Turbine, zur Stromerzeugung genutzt. Dadurch haben wir eine effektive CO2-Einsparung.
Von grosser Wichtigkeit ist in unserer Division auch der Blick nach innen. Die Mitarbeiterzufriedenheit gewinnt als Pfeiler für nachhaltigen Erfolg weiter an Bedeutung, denn in der heutigen Zeit sind gut ausgebildete Fachkräfte knapp und der Ersatz von Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen, ist teuer.
Welches sind in Ihrer Division die wichtigsten Themen und Meilensteine in Bezug auf Nachhaltigkeit im Berichtsjahr und in den kommenden Jahren?
AK: Unsere gesamte Produktpalette wird beim Kunden wesentlich zur Nachhaltigkeit beitragen. Wir als Arbonia müssen aber alles dafür tun, dass wir diese Produkte dank unserer Produktionsprozesse auch möglichst nachhaltig herstellen können. Ansonsten wäre das konterkarierend. Aus diesem Grund haben wir viel investiert in neue Technologien: Servomotoren bei Pressen zum Beispiel, die per se bei gleichem Output deutlich weniger Energie verbrauchen. Das ist mal der erste Baustein und der zweite ist natürlich, dass wir schrittweise dazu übergehen, diese Energie möglichst regenerativ zu erzeugen oder grün zu kaufen. Was heisst regenerativ erzeugen? Dazu investieren wir in der Division HLK beispielsweise gerade auch in eine KWK-Anlage in Plattling (D) und in weitere Projekte, die uns unserem Ziel näherbringen werden.
CM: Wichtige Meilensteine sind die Inbetriebnahme der erwähnten KWK-Anlagen sowie Themen rund um umweltfreundliche Verpackungsmöglichkeiten. Letztere nehmen an Bedeutung zu, da die Entsorgungskosten für Verpackungen immer teurer werden.
Zur weiteren Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber und somit Senkung der ohnehin schon tiefen Fluktuation werden wir die Ausbildung und Förderung der Mitarbeitenden und Lernenden weiter verbessern.
Das Thema Nachhaltigkeit ist omnipräsent. Inwiefern spüren Sie dies bei Ihren Mitarbeitenden und Kunden?
AK: Ich stelle fest, dass sowohl Kunden als auch Mitarbeitende immer mehr auf das Thema schauen. Die Fragen der Kunden werden intensiver und ich bin überzeugt, dass die Kunden gerne so wenig umweltbelastend wie möglich einkaufen möchten. Auch die Mitarbeitenden arbeiten lieber in einem Unternehmen, das sich zu Nachhaltigkeit bekennt. Bei Betriebsversammlungen und über Infoterminals informieren wir unsere Mitarbeitenden, was wir tun und dass wir uns beispielsweise CO2-Reduktionsziele stecken. Dies trägt auch dazu bei, dass wir als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden.
CM: Wir spüren ein vermehrtes Interesse an nachweisbarer Nachhaltigkeit bei unseren Kunden. Diese sehen, dass wir uns als Unternehmen unserer ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst sind und gezielt in Nachhaltigkeit investieren. Dies widerspiegelt sich sogleich in der wirtschaftlichen Performance unserer Division.
Angenommen, Geld spielt keine Rolle: Was würden Sie im Bereich Nachhaltigkeit alles unternehmen?
AK: Wenn Geld keine Rolle spielen würde, dann würden wir das Ziel verfolgen, sehr schnell CO2-neutrale Werke zu betreiben. Heute sind wir in der Lage, mit unseren Photovoltaikanlagen und anderen Technologien rund 10 bis 20% unseres Energiebedarfs selbst abzudecken. Mit noch mehr finanziellen Mitteln könnten wir unsere Bemühungen dramatisch beschleunigen, um 100% klimafreundlich selbst zu erzeugen. Rein technisch wäre das ja möglich. Aber am Ende des Tages haben wir als Unternehmen ja mehrere Nachhaltigkeitsziele, die wir erreichen möchten. Da gehört auch dazu, dass wir profitabel wachsen und einen Mehrwert für Aktionäre schaffen. Somit können wir nicht nur in eine Richtung agieren, sondern müssen stakeholdergerecht agieren. Daher macht es Sinn, dass wir so arbeiten, wie wir es jetzt tun.
CM: Wir decken mit den KWK-Anlagen künftig 100% unseres Wärmebedarfs von Prüm und Garant durch Eigenerzeugung. Eine Ausweitung von 60% auf 100% selbstproduziertem Strom ist ebenfalls erstrebenswert. Ich würde die Stromproduktion über Photovoltaikanlagen bei allen unseren Standorten erhöhen. Dadurch würden wir unserem Ziel, als Division komplett CO2-neutral zu werden, einen grossen Schritt näherkommen.
Ebenfalls würde ich in die CO2-Abscheidung und -Speicherung investieren, um den verbleibenden CO2-Ausstoss zu kompensieren oder alternativ über hochwertige Zertifikate nachdenken.